Management von Absetzern
Ein Bild vertrauter Zweisamkeit zwischen Stute und Fohlen – das kann man im Moment beobachten, wenn man sich an sonnigen Tagen einen Spaziergang gönnt und dabei seinen Blick über die vielen Koppeln und Weiden schweifen lässt.
Im Herbst ist dann allerdings die Zeit des Abschieds gekommen. Aus den kleinen, stackseligen Pferdekindern sind selbstbewusste Jugendliche geworden. Die Mütter sind zunehmend genervt von den Einfällen ihrer Kleinen. Schließlich sind diese auf die mütterliche Fürsorge nun nicht mehr angewiesen. Es ist Zeit, Stute und Fohlen zu trennen. Bei diesem simplen Vorgang gibt es einiges zu beachten.
Der Vorgang des Absetzens wird je nach Lebensanschauung kontrovers diskutiert. Landläufig wird im Alter von 6 Monaten das Fohlen komplett von der Mutter getrennt. Früheres Absetzen ist selten, kommt aber zum Beispiel vor, wenn die Stute mit Fohlen bei Fuß nicht wieder in Rosse kommt, aber unbedingt wieder belegt werden soll. Manche Züchter wollen aber die Trennung nicht von jetzt auf gleich, sondern in mehreren Schritten durchführen. Dabei werden Stute und Fohlen immer längere Zeitspannen getrennt. Dadurch wird zwar das von der nicht abgenommenen Milchmenge pralle Euter immer wieder von seiner Last befreit, erhält dadurch aber auch ständig wieder den Reiz, weiter Milch zu produzieren. Dazu kommt, dass die Tiere jedes Mal einem Trennungsstress ausgesetzt sind.
In seltenen Fällen wird das Absetzen durch den Menschen ganz unterlassen und die Stute entscheidet selbst, wie in der Natur, wann sie ihrem Fohlen den Zugang zum Euter verweigert. Dieser Zeitpunkt wird davon mitbestimmt, ob das Muttertier wieder tragend ist. Auf diesem Weg wird den Beteiligten sicher der Trennungsschmerz erspart, aber für ein modernes Zuchtmanagement ist diese Methode weniger geeignet. Dort bestimmt entweder der Zeitpunkt des Verkaufs den Termin des Absetzens oder für die Synchronisierung des Betriebsablaufs ist ein fixer Termin nötig, an dem die Jungtiere zusammengeführt werden.
Heute weiß man, dass die Trennung von der Mutter für den Absetzer erheblichen Stress bedeutet. Bei Magenspiegelungen konnten in dieser Altersklasse deutliche Veränderungen der Magenschleimhaut festgestellt werden. Genauso wie beim Menschen, schlägt Stress Pferden auf den Magen. Am häufigsten trifft es rangniedere Tiere, also spätgeborene oder solche, die später zur Herde gestoßen sind, länger transportiert wurden oder durch Erkrankungen in der Entwicklung zurückgeworfen wurden. Daher sollte Futter immer so angeboten werden, dass auch diese Pferde jederzeit Zugang finden. Nimmt ein Herdenmitglied nicht richtig zu, hat struppiges Fell, knirscht mit den Zähnen, flähmt, stößt auf oder zeigt nach der Futteraufnahme Koliksymptome ist es Zeit zu handeln. Mit entsprechenden Medikamenten (Wirkstoff Omeprazol), kann die Säureproduktion im Magen reguliert werden und Zusatzfuttermittel schützen die Magenschleimhaut mit einem Schleimfilm. So kommen die Patienten schnell wieder auf den Damm. Mittlerweile wird sogar untersucht, ob eine vorsorgliche Gabe dieser Medikamente zum Zeitpunkt des Absetzens, Fohlen eine bessere Entwicklung ermöglicht. Für einen Absetzer, der einen Einbruch in der Entwicklung hatte, ist der Weg zum erfolgreichen Jungpferd ungleich länger.
Richtlinien zur Pferdehaltung, die von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) mit erarbeitet wurden, sehen Einzelhaltung von Jungtieren als nicht tierschutzkonformes Verhalten. Jungpferde sind am besten in einer Herde Gleichaltriger aufgehoben sind, wobei die Anwesenheit einiger älterer Pferde quasi als Erzieher zusätzlich sinnvoll sein kann. Um allen Tieren die gleiche Chance zu wahren, sollte die Herde zu einem festen Zeitpunkt zusammengestellt werden. Denn die ersten Tage vergehen damit, eine stabile Rangordnung zu etablieren. Wer später dazustösst, hat es schwerer. Diese Phase der Sozialisierung hat nicht nur Vorteile für das spätere Zusammenleben mit anderen Pferden, sondern erleichtert auch die spätere Ausbildung durch den Menschen. Denn der sollte nichts anderes sein, als ein ranghöheres Herdenmitglied.
Eine zusätzliche Forderung der Richtlinien besteht in der Bewegungsmöglichkeit. Laufboxen allein können den Bewegungsdrang von Jungtieren nicht stillen. Optimal für die Kinder der Steppe wäre eine ganztägige freie Bewegung. Hintergrund ist, dass das System aus Knochen, Gelenken (Knorpel, Bänder), Muskeln und Sehnen im Wachstum einem ständigen Wandel unterworfen ist. Es passt sich den geforderten Belastungen an, kann aber bei Überlastung auch Schaden nehmen. Am geeignetsten ist eine permanente gleichmäßige Bewegung mit Ruhephasen und Belastungsspitzen auf einem Untergrund der weder betonhart (Überlastung der Gelenke und Wachstumsfugen) noch matschig-weich ist (Sehnen). Werden Absetzer nur stundenweise auf den Auslauf gelassen, ist die Belastung den ganzen Tag gering, in der Zeit des Auslaufs übermäßig. Der Zusammenhang zwischen solchen Überbelastungen und Skelettveränderungen wie Osteochondrose (z. B. Chipbildung im Gelenk) wird immer wieder diskutiert.
Ein wichtiger Baustein in der Aufzucht der Jungtiere ist die Hufpflege. Da die Youngster zunehmend an Kraft gewinnen, ihre Erziehung aber nicht Schritt hält, sind sie nicht die Lieblingskandidaten beim Schmied. Aber gerade jetzt wird das Fundament für den späteren Spitzensportler gelegt. Schon ab dem Fohlenalter gilt, kleine Korrekturen regelmäßig durchgeführt, wirken wahre Wunder. Oft sind es wenige Raspelstriche alle 14 Tage als Fohlen und eine regelmäßige Kontrolle im Absatzalter, die den Pferdebesitzer später vor Überraschungen bewahren. Dabei ist die früh angewöhnte Schmiedefrömmigkeit als Nebenprodukt nicht zu unterschätzen.
Kommen Tiere aus verschiedenen Betrieben zusammen, müssen sich die Absetzer mit ihnen fremden Keimen auseinandersetzen. Typischerweise kann es in den ersten Wochen zu Infektionsgeschehen kommen. Meistens sind die Atemwege betroffen. Die Pferde zeigen Fieber, Nasenausfluß, Lymphknotenschwellung und Husten. Eine regelmäßige Kontrolle der Herde, ggf. mit Messung der Körpertemperatur und Behandlung durch einen Tierarzt ist sinnvoll.
Wo möglich sollte vorgesorgt werden: Ein sechs Monate altes Pferd muss Tetanus geimpft sein. Alles andere ist fahrlässig. Pferde reagieren ungefähr tausendmal empfindlicher auf das Tetanus-Gift als Menschen. Schon kleine, nicht sichtbare Verletzungen können Eintrittspforte sein. Die Ausrede: „Ich impfe, wenn mein Pferd verletzt ist“ geht an der Wirklichkeit vorbei. Zudem wird die Impfung bestens vertragen. Auch eine Impfung gegen Influenza sollte durchgeführt werden, da gerade Jungtiere krankheitsanfällig sind und so zusätzlich die generelle Abwehrlage gegen Infektionen der Atemwege verbessert wird. Die Impfung gegen Influenza stellt jedoch anders als die Tetanus-Prophylaxe einen größeren Kostenfaktor dar.
Ein weiteres Element der optimalen Betreuung von Absetzern ist eine regelmäßige Entwurmung. Das körpereigene System zur Bekämpfung von Parasiten läuft noch nicht auf vollen Touren und außerdem wird ein Großteil der aufgenommenen Energie für das Wachstum benötigt. Daraus folgt, dass die Versorgung ungebetener Untermieter, die Entwicklung hemmt. Und jedes Pferd ist infiziert, schon der erste Schluck Muttermilch enthält in den meisten Fällen Wurmlarven. Bis zu einem Alter von zwei Jahren steht die Infektion mit kleinen Strongyliden aus der Familie der Pallisadenwürmer im Vordergrund. Zum Leidwesen des kostenbewussten Pferdebesitzers haben gerade diese Würmer Resistenzen gegen bestimmte Wirkstoffe ausgebildet. Nur die neuen, aber damit auch teuereren Wurmpasten bringen somit die besten Ergebnisse. Auf Grund des relativ geringen Körpergewichts von Absetzern, relativiert sich der höhere Preis aber wieder und das Ergebnis einer regelmäßigen Entwurmung kann sich sehen lassen. Bei Bedarf kann durchaus eine zusätzliche Entwurmung zum dreimonatigen Rhythmus durchgeführt werden.
Die bedarfsgerechte Fütterung der Absetzer ist von entscheidender Bedeutung für die artgerechte Entwicklung der Jungtiere. Im Winter fehlt dem sich entwickelnden Organismus alles Gute aus dem grünen Gras. Zusätzlich zu dem frei verfügbaren Raufutter sollte den Tieren ein Mineral- und Vitamingemisch als Ausgleich angeboten werden. Diese Futterkombination deckt den Grundbedarf. Zusätzliche Gaben von Kraftfutter sollten mit Bedacht durchgeführt werden. Es ist möglich die Entwicklung des wachsenden Körpers mit entsprechenden Futtergaben zu beschleunigen. So ein Hengst zur Körung vorgestellt werden, hat dieser dort eine Chance, wenn die körperliche Entwicklung frühzeitig gefördert wird. Die Frage ist, ob ein schnell gewachsener Organismus die gleiche Qualität des Grundgerüsts hervorbringen kann, ganz abgesehen davon, dass auch die Gewichtsbelastung eines rundgefütterten Jungpferdes ein Problem für alle Haltestrukturen darstellt. Zusatzfuttermittel mit erhöhtem Eiweiß- oder Calciumgehalt brauchen also Augenmaß beim Einsatz.
Die kompetente Aufzucht von Jungtieren ist der Schlüssel zum Erfolg: hier werden die Weichen für das weitere Leben gestellt, egal ob Freizeitpferd, Topathlet oder Zuchtstute. Es gilt, den Youngstern optimale Bedingungen zu schaffen, die ihre natürlichen Bedürfnisse am besten befriedigen und Entwicklungshindernisse beseitigen. Nur wenn die Gesundheit des Pferdes im Vordergrund steht, wird man lange etwas von seinem vierbeinigen Partner haben.